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Fahrradstadt Bad Wimpfen?

Die Diskussionen um den Radschnellweg, die Radwegführung durch die Stadt und die in diesem Zusammenhang geplante Neubepflasterung schlagen zur Zeit hohe Wellen. Das Thema weckt offensichtlich Emotionen, die einer sachlichen Abwägung der Argumente nicht immer zuträglich sind. Deshalb möchten wir zu einer Versachlichung beitragen und
die folgenden, aus unserer Sicht wichtigen Punkte noch einmal hervorheben.

Erstens: Das Fahrrad spielt in allen nachhaltigen Mobilitätsplanungen eine entscheidende Rolle. Dies ist ein überparteilicher Konsens, über den sich alle Beteiligten des
Mobilitätspaktes in unserer Region, also Land, Landkreis, Kommunen und Vertreter der Großunternehmen einig sind. Zweitens: Eine sichere Radwegführung durch das Neckartal mit einer Trennung zum Fußgängerweg ist dringend notwendig. Die momentane Mischnutzung des zwei bis vier Meter breiten Weges ist bei immer höherem Radverkehrsaufkommen vor allem am Wochenende bei schönem Wetter kaum noch zu verantworten. Für alle Beteiligten
besteht hier eine erhöhte Unfallgefahr.

Drittens: Es ist unstrittig, dass für eine Wegverbreiterung des Neckarradwegs Landschaft verbraucht wird. Doch in der mittel- und langfristigen Sichtweise überwiegt der dadurch entstehende Vorteil, dass immer mehr Menschen aufs Rad umsteigen und ihr Auto stehen lassen um ein Vielfaches.
Viertens: Durch das Aufkommen des Elektrofahrrades ist die Zahl der Tagestourist*innen, die Bad Wimpfen per Fahrrad ansteuern, um ein erfreuliches Maß gestiegen. So wie wir früher Busparkplätze für die Tagesfahrten geschaffen haben, ist es heute unsere Aufgabe, für radelnde Gäste eine attraktive Infrastruktur zu schaffen. Geschäfte und Gastronomie sind zwingend auf diese Besucher*innen angewiesen, um auf Dauer überleben zu können.
Fünftens: Immer mehr Bewohner*innen unserer Stadt nutzen das Fahrrad – nicht nur in der Freizeit, sondern auch als Verkehrsmittel, um notwendige Wege zurückzulegen. Der grobe Pflasterbelag stellt Radfahrer*innen jedoch vor kaum zumutbare Herausforderungen. Er bedingt nicht nur den raschen Verschleiß des Fahrrads, sondern stellt vor allem auch eine erhöhte Unfallgefahr für die Radfahrenden dar. Wer noch nie mit dem Fahrrad durch die Altstadt gefahren ist, sollte sich diesem Abenteuer unbedingt einmal stellen. Will man Autofahrer*innen zum Umstieg auf das Rad bewegen, muss man auch attraktive Wege bieten – das sollte im Interesse aller sein, um auch die Hauptschlagadern (Schiedstraße, Steinweg) vom Autoverkehr zu entlasten.

Sechstens: Die Heraufsetzung der erlaubten Geschwindigkeit auf Tempo 20 ist formal notwendig, um den Radweg überhaupt als solchen planen und von entsprechenden Fördermitteln profitieren zu können. Denn ein Fahrrad mit Schritttempo fortzubewegen, würde bedeuten, es schieben zu müssen. Zwar gelten aktuell große Teile der Altstadt als verkehrsberuhigte Zone – doch auch die wenigsten Autofahrer*innen halten sich stets an das dafür eigentlich erforderliche Schritttempo von ca. 5-7 km/h. Es wäre eine interessante Diskussion, ob alle Wimpfener*innen dafür wären, dieses Tempo konsequent einzufordern und Verstöße zu sanktionieren. Aber vielleicht ist das auch gar nicht
notwendig. Denn was zählt, ist die gegenseitige Rücksichtnahme aller Verkehrsteilnehmer*innen und eine an die Situation und das Verkehrsaufkommen angepasste Geschwindigkeit – unabhängig vom formal erlaubten Fahrtempo.
Siebtens: Niemand möchte den alten Pflasterbelag abschaffen, allen liegt die Erhaltung des typischen Stadtbildes von Bad Wimpfen am Herzen. Doch aufgrund von Leitungsarbeiten ist die Entfernung des Straßenbelags in der unteren Hauptstraße ohnehin notwendig. Der momentan vorhandene Belag reicht nicht aus, um die komplette Strecke neu zu belegen. Denn zum einen ist ein Teil der Steine beschädigt und wird nicht wieder zu gebrauchen sein, zum anderen ist die Langgasse im hinteren Bereich
momentan noch asphaltiert, soll aber ebenfalls bepflastert werden. Das alte Pflaster, das erhalten werden kann, soll deshalb so großflächig wie möglich und schwerpunktmäßig im historisch besonders wertvollen Bereich des Löwenbrunnens verlegt werden. Andere Bereiche werden geh- und fahrfreundlich mit zugekauften alten, aber abgeflachten Pflastersteinen belegt. Dieser Kompromiss wurde vom Gemeinderat intensiv diskutiert, über die meisten Fraktionen hinweg als sinnvoll erachtet und mit
großer Mehrheit beschlossen.
Es gilt, die Diskussion wieder zu versachlichen und die Argumente sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Und es gilt zu entscheiden, ob Bad Wimpfen als fahrradfeindliche Stadt angesehen wird, in der man alles ablehnt, was das Radfahren attraktiver macht, oder als Stadt, die alles daran setzt, ihren Beitrag zur Erreichung der Klimaziele zu leisten.

 

Georg Rakutt, 1. Vorsitzender

Dr. Katrin Henk, stv. Vorsitzende

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